Hinter der roten Tür
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Hinter der roten Tür *
Wir haben unseren Blog “Hinter der roten Tür” genannt und laden Sie herzlich ein, die Tür zu öffnen, um zu sehen, was sich dahinter verbirgt…
In unseren Blogbeiträgen nehmen wir Stellung zu verschiedenen Themen aus dem Bereich sexualisierte Gewalt und Aufarbeitung; zum einen, um Sie zu informieren (auch über unsere Arbeit und Erfahrungen), aber auch, um Austausch und Diskussion zwischen allen Akteuren, die mit diesem Thema beschäftigt sind, anzuregen.
Schreiben Sie uns gerne IHRE Meinung dazu, wenn Sie mögen!
Unsere Rubrik: Kommentare / Meinungen
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Drinnen und draußen...
Es war kalt und „usselig“, wie man hier in Norddeutschland gerne sagt, an diesem Morgen des 11.11.24. in Würzburg. Kein Wetter also, um draußen vor der Tür zu stehen. Eine überschaubare Zahl von Betroffenen sexualisierter Gewalt im Kontext von (evangelischer) Kirche und Diakonie war nach Würzburg gekommen, zum Teil von weit her und in jedem Fall auf eigene Kosten, um draußen vor der Tür des Congress Centrums zu demonstrieren. Drinnen tagte anlässlich der EKD-Synode 24 das Kirchenparlament der Evangelischen Kirche in Deutschland, bestehend aus 128 Mitgliedern, die ebenfalls zum Teil von weither angereist waren, aber (so oder so) für ihre Teilnahme bezahlt wurden.
Das Demonstrationsrecht ist ein in Artikel 8 des Grundgesetzes verankertes Grundrecht, von dem die Betroffenen draußen Gebrauch machten. Flankiert wurden sie dabei von der Polizei und einem Sicherheitsdienst, der eigens für oder besser gegen sie engagiert worden war. Schließlich wollten die drinnen von ihrem „Versammlungsrecht“ ungestört von denen draußen Gebrauch machen.
Die, die draußen in der Kälte und Nässe standen, wollten ihre Stimme erheben und sich Gehör verschaffen, denn drinnen hatten sie kein eigenes Rederecht. Diejenigen, die drinnen im Trockenen und Warmen saßen, wollten in aller Ruhe ihre vollmundigen Reden, ihre reumütigen Bekenntnisse und vielversprechenden Zugeständnisse vortragen und sich ohne Zwischenrufe gegenseitig versichern, dass sie auf dem beschwerlichen Weg schon viel erreicht haben. Die anwesende Presse sorgte dafür, dass alles zuverlässig nach draußen in die Welt getragen wurde.
Drinnen trugen sie schicke Anzüge und Kostüme mit farblich abgestimmten Krawatten und Halstüchern und präsentierten sich so, für jedermann/-frau gut erkennbar, auch optisch als Einheit. Draußen trugen sie wind- und regenfeste Jacken und warme Mützen gegen die Kälte sowie weiße Warnwesten mit dem Emblem ihrer Initiative -vertuschung-beenden-.
Wer drinnen war, wurde mit heißem Kaffee, Tee und Kaltgetränken versorgt und konnte sich auf das obliga-torische gemeinsame Mittagessen freuen. Die draußen waren Selbstversorger und teilten untereinander das, was sie an Verpflegung mitgebracht hatten.
Die "Drinnen" hatten für die "Draußen" einen "DIALOGRAUM" eingerichtet, in dem diese sich ab Mittag (während die "Drinnen" im Restaurant saßen...) bei trockenen Brezeln und Kaltgetränken aufwärmen und ihre Redebeiträge einer sogenannten unabhängigen "Anwältin des Publikums" mitteilen konnten, damit diese sie am Nachmittag dem Plenum vortragen konnte. Die Betroffenen durften hernach diesen Vortrag als Zuschauer von der Tribüne aus verfolgen. Nach dem ca. halbstündigen Redebeitrag der “Anwältin des Publikums” wurde seitens des Plenums pflichtschuldig geklatscht; einige der Synodalen wagten sogar einen Blick hinauf zur Empore…
Anmerkung >> Ein Dialog ist eine abwechselnde Rede und Gegenrede zwischen zwei oder mehreren Personen; ein Zwiegespräch.
Eigentlich ist damit alles gesagt.... Eigentlich! Als „Schreiber*in“ ist man angehalten, den/die Leser*in nicht zu unterschätzen und ihm/ihr Raum für eigene Interpretationen zu lassen.
Als selbst von sexualisierter Gewalt Betroffene (die nicht vor Ort war!) möchte ich die Leser*innen dieses Blogs jedoch auf meine ganz persönliche „Deutungsreise“ mitnehmen, denn » wenn es nicht so unglaublich traurig wäre, könnte man fast darüber lachen und sich zumindest ein wenig darüber freuen, mit welcher verlässlichen Treffsicherheit sich die evangelische Kirche wieder einmal selbst ad absurdum geführt und gleichermaßen vorgeführt hat. Die Lernkurve der EKD zeigt keineswegs nach oben, nein, gemessen an den Erfahrungen, die sie bereits in der Vergangenheit mit vergleichbaren Veranstaltungen gemacht hat, kann man diese unsägliche Art des Umgangs mit Betroffenen sexualisierter Gewalt geradezu als Provokation, zumindest aber als Methode empfinden. Und ich persönlich frage mich an dieser Stelle auch, warum die Betroffenenvertreter*innen des Befos einer derart unwürdigen Behandlung der extra angereisten Betroffenen zugestimmt haben?
Fakt ist:
Der DIALOG mit Betroffenen findet dato grundsätzlich nur über die „Betroffenenvertreter*innen“ des Befos statt, deren Legitimation, im Namen ALLER Betroffenen zu sprechen, zumindest angezweifelt werden darf, denn sie wurden NICHT demokratisch aus dem Kreis der Betroffenen gewählt!
Der so wichtigen Debatte zum Thema sexualisierte Gewalt im Kontext der evangelischen Kirche und Diakonie wurde auf der Synode an diesem Vormittag gerade einmal +/- 100 Minuten eingeräumt und nach Aussage der Synodenverantwortlichen war es (aus welchen Gründen auch immer) nicht möglich, den extra angereisten Betroffenen wenigstens 5 Minuten Redezeit vor dem Plenum einzuräumen.
Als alternativer „Kommunikationsprozess“ wurde immerhin der DIALOGRAUM eingerichtet, der diesen Namen nicht annähernd verdient bzw. ihn angesichts des dort tatsächlich stattfindenden DIALOGS ins Lächerliche abgleiten lässt, denn von einem DIALOG (s.o.) konnte keine Rede sein. (Ein Brief an Frau Fehrs, von dem ebenfalls mit dem DIALOG beauftragten Verein Wildwasser Würzburg e.V., im Nachgang zur Synode, findet sich auf der Seite von: https://vertuschung-beenden.de/
Wie unmündigen Kindern oder (wahlweise) Vertreter*innen einer fremdsprachigen Nation (suchen Sie sich was aus...) wurde den extra angereisten Betroffenen eine „Anwältin/Übersetzerin“ zur Seite gestellt, damit DIESE die Wortbeiträge dieser vermeintlichen “Splittergruppe” dem interessierten Plenum zu Gehör bringt!
Mehr verordnete Sprachlosigkeit bzw. Kontrolle der nicht im Befo vertretenen Betroffenen durch die EKD ist kaum vorstellbar und absolut empörend, weil respektlos und entwürdigend!
Ergo:
Ein DIALOG wird nach wie vor nur mit den (von der EKD) „ausgewählten“ Betroffenenvertretern des Befos geführt, mit denen man sich zuvor auf einen neuen Punkteplan (diesmal sind es 12 Punkte!) geeinigt hat und laut Detlev Zander (einer der Sprecher*innen der Betroffenenvertreter im Befo) hat es diesbezüglich keine faulen Kompromisse gegeben. Dieser Punkteplan soll bis 2030!!! umgesetzt werden und man kann vielen älteren Betroffenen nur wünschen, dass sie das noch erleben.
Anmerkung I » An dieser Stelle verweise ich auf den vorherigen 11-Punkte-Plan (https://www.ekd.de/11-punkte-plan-missbrauch-evangelische-kirche-44841.htm), der auf der 12. Synode der EKD vor genau 6 Jahren (November 2018) beschlossen wurde. Der/die interessierte Leser*in möge sich selbst ein Bild davon machen, was davon bis heute wirklich erfolgreich umgesetzt wurde...
Anmerkung II » Es ist mir wichtig anzumerken, dass ich den Betroffenenvertretern im Befo grundsätzlich für ihren unermüdlichen und arbeitsintensiven Einsatz für ALLE Betroffenen dankbar bin! Dennoch stelle ich persönlich das Konstrukt der Betroffenenvertretung in seiner jetzigen Form in Frage und rege (wiederholt) an, der großen Masse der Betroffenen (die eben nicht im Befo vertreten sind) mehr Gehör zu schenken bzw. diese wesentlich stärker in den Gesamtprozess einzubinden. Die Kommunikation, und damit die Transparenz der Arbeit der Betroffenenvertretung lässt aus Sicht vieler Betroffener mehr als zu wünschen übrig, so dass sich diese “außenstehenden” Betroffenen weder gesehen, noch gefragt, noch mitgenommen fühlen.
Die vielfältigen technischen Möglichkeiten erlauben es heutzutage problemlos, z.B. öffentliche Umfragen seitens des Befos auf ihrer Website -https://www.ekd.de/betroffenenvertretung-79339.htm- zu installieren und auszuwerten, um frühzeitig ein großflächiges Meinungsbild von Betroffenen einzuholen, auch von denen, die sich ebenfalls auf die ein oder andere Weise engagieren wollen. Derzeit entsteht allerdings mancherorts immer öfter der Eindruck, dass es sich bei der Betroffenenvertretung um eine Art „elitären Club von (der EKD auserwählten) Betroffenen“ handelt, der gemeinsam mit Vertretern der evangelischen Kirche hinter verschlossenen Türen Absprachen trifft, die dann der breiten Masse als „einzig möglicher Kompromiss“ präsentiert werden... Und an diesem Eindruck wird (sorry to say) auch der neu eingeführte Gaststatus weiterer weniger Betroffener (natürlich ohne jegliches Stimmrecht) im Befo nichts ändern!
Was bleibt ist…
… der altbekannte und mittlerweile fade Cocktail aus Ernüchterung, Frustration, Enttäuschung, Wut, Trauer, Empörung und Hilf- und Machtlosigkeit, jedoch angereichert mit Respekt und Dankbarkeit gegenüber den Betroffenen, die sich TROTZDEM immer noch für die Belange ALLER Betroffenen einsetzen (z.B. vertuschung-beenden.de) und somit ein letzter kümmerlicher Rest an Hoffnung, dass sich (auch dadurch) vielleicht doch eines Tages nachhaltig etwas im Sinne der Betroffenen von sexualisierter Gewalt ändern wird. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletz!
Lassen Sie mich meinen heutigen Blogbeitrag mit einem Gedicht von Wolfgang Borchert beenden:
“Drinnen und Draußen
Das macht das Fenster, dass wir „draußen“ sagen –und weil wir selber drinnen sind. Nach draußen muss man schauernd fragen, denn draußen ist der Wind.
Laternen stehn schon hundert schwarze Nächte – und abends, bald nach zehn, wenn mancher schlafen möchte, graut wohl die Straße blass und schweigend aus der Flut von Seufzern, Stein und Glas.
Nun ist es unser Blut, das so gewaltig rauscht – da hält der Wind im Tanz den Schritt, bleibt manchmal stehn, als ob er lauscht.
Und die Laternen gehen noch lange durch die Träume mit.”
Herzlichst
Ihre Viola Meier-Quade
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Nehmen Sie sich BITTE etwas Zeit und schauen Sie sich diese Dokumentation in Ruhe an, gerne auch mehrmals, um wirklich zu verstehen, was sich in Oberhaching in Bayern seit Jahrzehnten abspielt!
Mich hat diese Reportage fassungslos gemacht, was mich gleichzeitig wundert, denn ich bin nicht so schnell aus der Fassung zu bringen, wenn es um sexualisierte Gewalt in Institutionen, Einrichtungen, Behörden etc. geht. Diesem Bericht ging ein anderer Bericht aus dem Jahr 2023 voraus, in dem es um das Thema "Verschickungskinder" ging (auch sehr interessant!) https://www.ardmediathek.de/video/wdr-dok/verschickungskinder-missbrauch-und-gewalt-bei-kinderkuren/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtZGI5ZGNhYzctZjZjZC00NDY1LWJhMGMtZjNlMTVmOWQ1ZDFl. In diesem Bericht ging es u.a. um einen Erzieher namens Peter, der Kinder im Rahmen von Verschickungskuren missbraucht haben soll und der von einigen Personen als der Erzieher erkannt wurde, der auch in Oberhaching jahrzehntelang als Erzieher (oder zeitweise sogar als Leiter) in verschiedenen Einrichtungen gearbeitet haben soll.
Und um die „Geschichte von Oberhaching“ für Sie als Leser*in/Zuschauer*in abzurunden, schauen Sie sich bitte auch noch folgende Website an, auf der Sie u.a. ein Video-Interview mit dem amtierenden Bürgermeister von Oberhaching finden: https://www.oberhaching.de/de/Leben-Erleben/Kinder%7CJugend%7CBildung/Kinderbetreuung/Kinderschutz
Insgesamt ist das ganze Material erschütternd und lässt bestimmt viele Leser*in/Zuschauer*in ungläubig und wütend zurück, insbesondere was den Umgang mit Betroffenen, (zahlreichen) Hinweisgebern und engagierten Mitarbeitenden, aber auch das Verhalten (damals wie heute) und die Stellungnahmen der Verantwortlichen in Oberhaching betrifft.
Unter anderem ist immer wieder die Rede von Nichtbeweisbarkeit oder Verjährung der „angeblichen“ Taten; beides „neuralgische“ Begriffe für Betroffene, die sie immer wieder zu hören bekommen.
Ja, in Deutschland gilt die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils und das ist auch gut so! Und gleichzeitig machen die in den Berichten und Stellungnahmen deutlich gewordenen Umstände, auf die sich die beiden Begriffe beziehen, deutlich, wie eng das Nicht-hinsehen-wollen, das Nicht-wissen- oder Nicht-wahrhaben-wollen zusammenhängen und was das für die Betroffenen und für mögliche zukünftige Opfer bedeutet.
Wie sollen Kinder, die dem Täter schutzlos und vor allem allein ausgeliefert waren, ausdrücken und vor allem beweisen, was ihnen widerfahren ist? Und wie sollen Eltern damit umgehen, wenn sie bei den Verantwortlichen auf taube Ohren stoßen, ihre Hinweise nicht ernst genommen werden und ihre Meldungen oft nach dem Prinzip "Was nicht sein darf, ist auch nicht" behandelt werden? In solchen Fällen werden lieber die Kinder/Eltern oder die meldenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Einrichtung „entfernt“, als den Verdachtsmomenten konsequent nachzugehen. DAS ist in vielen Fällen (neben den Taten) die zusätzliche Tragik: Wie mit Betroffenen und Angehörigen, aber auch mit engagierten Mitarbeitenden, umgegangen wird!
Kinderschutz darf nicht erst dann einsetzen, wenn Taten nachweislich geschehen und bewiesen sind, sondern es muss ausreichen, wenn es mehrere Auffälligkeiten seitens einer beschuldigten Person gegeben hat (auch auf die Gefahr hin, dem/der Beschuldigten vielleicht Unrecht zu tun!). Schutzkonzepte in Einrichtungen müssen u.a. klare Handlungsanweisungen in Verdachtsmomenten beinhalten, an die sich verpflichtend gehalten werden muss, ansonsten sind sie an der Stelle sinn- und wirkungslos!
Wenn überhaupt, dann handeln Verantwortliche sehr oft nach der Devise >> Nur, was man beweisen/nachweisen kann, wird zugegeben (typische Salamitaktik!). Und wenn Fehlverhalten oder Unterlassungen offensichtlich werden, dann wird die Verantwortung hin und her geschoben, es wird sich im Nachhinein von dem/der Beschuldigten distanziert oder es findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt! (Alles sehr schön im Video-Interview mit dem Bürgermeister von Oberhaching zu beobachten!) Besonders „beeindruckend“ fand ich in diesem Zusammenhang die Stellen in dem Interview, in denen er mehrfach betont hat, dass viele Gemeindemitglieder es als unangemessen empfunden habe, dass im Zusammenhang mit der 1275-Jahr-Feier in Oberhaching zu diesem Thema über ihren Ort berichtet wurde...
Urteilen Sie selbst und vor allem >> Sehen Sie bitte in Zukunft genauer hin und hören Sie aufmerksam zu! Und dann erheben Sie Ihre Stimme, nicht zuletzt, um denen eine Stimme zu geben, die vielleicht keine haben…
Herzlichst
Ihre Viola Meier-Quade
Unsere Rubrik: Wissenswertes kurz und knapp
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Was versteht man unter traumasensibler Sprache im Umgang mit Betroffenen von Sexualisierter Gewalt?
Ein Trauma, z.B. ausgelöst durch sexualisierte Gewalt, kann tiefgreifende Auswirkungen auf die Psyche eines Menschen haben. Es beeinflusst u.a. das Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln von Betroffenen. Sie können z.B. unter Flashbacks, Dissoziation, Angstzuständen, Erinnerungslücken, Depressionen und Schlafstörungen leiden. Ihre Fähigkeit, Sprache zu verarbeiten und zu nutzen, kann ebenfalls beeinträchtigt sein. Traumasensible Sprache erkennt diese Auswirkungen an und versucht, ihnen entgegenzuwirken.
Die Anwendung von traumasensibler Sprache soll verhindern, dass Menschen, die ein Trauma erlebt haben, im Rahmen von Gesprächen darüber erneut retraumatisiert werden und gleichzeitig dafür sorgen, ein unterstützendes und verständnisvolles Umfeld zu schaffen. Sie berücksichtigt die Auswirkungen des Traumas auf die Sprachverarbeitung und -produktion und fördert Empowerment und Selbstbestimmung. Im Kontext von sexualisierter Gewalt ist dieser Ansatz besonders wichtig, da die Art und Weise, wie über das Erlebte gesprochen wird, tiefgreifende Auswirkungen auf die Heilung und das Wohlbefinden der Betroffenen haben kann.
1. Grundprinzipien der traumasensiblen Sprache
Sicherheit und Kontrolle: Betroffenen sollte stets das Gefühl gegeben werden, dass sie die Kontrolle über das Gespräch haben. Dies beinhaltet das Recht, das Thema zu wechseln, Pausen einzulegen und/oder das Gespräch jederzeit ohne Angabe von Gründen zu beenden.
Empathie und Mitgefühl: Eine einfühlsame Sprache, die Verständnis und Mitgefühl ausdrückt, hilft dabei, Vertrauen und Nähe aufzubauen.
Vermeidung von Triggern: Wörter, Sätze und Formulierungen, die an das traumatische Erlebnis erinnern, können Trigger sein und z.B. Flashbacks oder Panikattacken auslösen. Daher ist es wichtig, potenziell triggernde Begriffe zu identifizieren und zu vermeiden. Beispiele hierfür sind detaillierte Beschreibungen von sexuellen Handlungen oder Gewalt, vulgäre aber auch scheinbar harmlose Begriffe, die im individuellen Kontext des Betroffenen eine traumatische Bedeutung haben können.
Respektvolle und empowernde Sprache: Die Sprache sollte die Würde und Selbstbestimmung der Betroffenen respektieren. Schuldzuweisungen oder Bewertungen sind unbedingt zu vermeiden, ebenso die Relativierung der Tat/Taten. Stattdessen sollte eine Sprache verwendet werden, die die Stärke und Resilienz der Betroffenen hervorhebt. Begriffe wie "Überlebende/r" oder "Betroffene/r" unterstützen die Selbstbestimmung und betonen, dass die betroffene Person nicht durch das Trauma definiert wird.
Personenzentrierte Sprache: Die betroffene Person und ihre Bedürfnisse bilden den Mittelpunkt des Gespräches. Durch aktives Zuhören können die Sprachpräferenzen (wie sich jemand bevorzugt ausdrückt) herausgefunden werden und der eigene Ausdruck kann an diesen Sprachduktus angepasst werden. Verallgemeinerungen sollten tunlichst vermieden werden und die Konzentration sollte auf den individuellen Erfahrungen der betroffenen Person liegen.
Klare und verständliche Sprache: Ein Trauma kann die kognitive Verarbeitung beeinflussen. Daher sollte eine klare, einfache und verständliche Sprache verwendet werden. Fachbegriffe oder komplexe Satzstrukturen sollten vermieden werden. Kurze, prägnante Sätze sind leichter zu verstehen.
Aktives Zuhören und Validierung: Die betroffene Person verdient die volle Aufmerksamkeit und Konzentration und die Bereitschaft, das Gehörte ernst zu nehmen. Bei der Methode der Validation verwendet man Einfühlungsvermögen, um in die innere Erlebniswelt des Gegenübers vorzudringen.
Achtsamkeit im Umgang mit Details: Details des traumatischen Ereignisses sollten nur dann erfragt oder besprochen werden, wenn es für den Beratungsprozess oder die juristische Aufarbeitung unbedingt notwendig ist. Unnötiges Nachfragen kann retraumatisierend wirken.
Informationsvermittlung und Ressourcen: Der betroffenen Person sollten Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten, Therapieangebote und rechtliche Schritte zur Verfügung gestellt werden.
Wording: Verwenden von neutralen oder positiven anstelle von negativen oder belastenden Formulierungen. Die Wahl, wie die betroffene Person bezeichnet werden will, z.B. als "Überlebende", "Opfer" oder „Betroffene“ liegt bei ihr.
Transparenz und Information: Klare Kommunikation darüber, was als nächstes passiert, wie Prozesse ablaufen, und welche Unterstützung angeboten wird.
2. Beispiele für nicht traumasensible vs. traumasensible Sprache:
1. Nicht traumasensible Sprache »
“Was ist passiert?" (Kann überwältigend sein)
"Du musst stark sein." (Übt Druck aus)
"Warum hast du dich nicht gewehrt?" (Schuldzuweisung)
"Opfer" (Kann stigmatisierend wirken)
"Über den Vorfall" (Verharmlosend)
2. Traumasensible Sprache »
"Bist du bereit, darüber zu sprechen, was passiert ist?"
“Ich erkenne deine Stärke an, mit dieser Situation umzugehen."
"Es ist verständlich, dass du in dieser Situation so reagiert hast."
"Betroffene/r" oder "Überlebende/r"
"Über die Gewalterfahrung" oder "Über das, was dir angetan wurde."
3. Anwendung in der Praxis
In der Therapie: Therapeuten sollten eine Sprache verwenden, die den Klienten das Gefühl von Selbstermächtigung vermittelt. Fragen wie "Was hat Ihnen geholfen, diesen Moment zu überstehen?" können stärkend wirken.
Im rechtlichen Kontext: Bei der Aussage oder im Gespräch mit Polizei oder Anwälten sollte auf eine Sprache geachtet werden, die die Erfahrungen der Betroffenen nicht abwertet oder zu einer „Mit-Schuld“ an der Tat führen.
In der Beratung und Unterstützung: Berater sollten aktiv zuhören und auf die Gefühle und Bedürfnisse der Betroffenen professionell emphatisch reagieren, ohne dabei in eine Rolle des "Retters" zu verfallen.
Mediale Darstellung: Medien sollten sensibel berichten, ohne sensationalistische Sprache zu verwenden, die Betroffene erneut zum Opfer machen könnte.
4. Herausforderungen
Kulturelle Unterschiede: Was in einer Kultur als sensibel angesehen wird, kann in einer anderen anders wahrgenommen werden.
Individuelle Unterschiede: Jeder Mensch reagiert anders auf Sprache, daher muss die Kommunikation individuell angepasst werden.
Fazit
Traumasensible Sprache ist essentiell im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt, denn sie minimiert das Risiko der Retraumatisierung, fördert die Heilung und stärkt die Betroffenen.
Die Anwendung von traumasensibler Sprache erfordert Achtsamkeit, fortlaufende Bildung und die Bereitschaft, sich auf die Bedürfnisse der Betroffenen einzustellen.
Es ist ein dynamischer Prozess, der Empathie, Respekt, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und ein tiefes Verständnis für die Auswirkungen von Trauma erfordert.
Durch den bewussten Einsatz von traumasensibler Sprache können die Zuhörer maßgeblich dazu beitragen, dass sich Betroffene von sexualisierter Gewalt sicher und ernst genommen fühlen, Vertrauen aufbauen können und somit die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.
Traumasensible Kommunikation ist nicht nur eine Methode, sondern eine Haltung, die Respekt und Wertschätzung gegenüber den Erfahrungen und dem Erleben anderer zum Ausdruck bringt.
Herzlichst
Ihre Viola Meier-Quade
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Was versteht man unter Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Institutionen, Einrichtungen, Unternehmen, Behörden, Vereinen, Verbänden und Schulen?
Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Institutionen, Einrichtungen, Behörden usw. ist ein komplexes und sensibles Thema, das sowohl rechtliche, psychologische als auch gesellschaftliche Dimensionen umfasst. Der Umgang mit solchen Vorfällen beeinflusst nicht nur die direkt Betroffenen, sondern auch die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Institutionen selbst. Dabei muss zwischen verschiedenen Arten der Aufarbeitung differenziert werden »
1. Begrifflichkeiten und Abgrenzung:
Es ist wichtig, zwischen individueller Aufarbeitung, juristischer Aufarbeitung, institutioneller Aufarbeitung und gesellschaftlicher Aufarbeitung zu unterscheiden:
Individuelle Aufarbeitung befasst sich mit der Person, die Missbrauch erlebt hat und wie sie mit dem Erlebten umgehen und es möglichst bewältigen kann.
Juristische Aufarbeitung hat die strafrechtliche Verfolgung der Täter zum Ziel.
Institutionelle Aufarbeitung beschäftigt sich mit der strukturellen Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in der Institution selbst.
Gesellschaftliche Aufarbeitung zielt insbesondere darauf ab, das Thema sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und damit ein besseres Verständnis in der Gesellschaft für den Umgang mit dem Thema Missbrauch zu schaffen.
1.1 Individuelle Aufarbeitung:
Diese Form der Aufarbeitung konzentriert sich auf die Bedürfnisse der einzelnen Betroffenen. Sie beinhaltet u.a. die Verarbeitung des Traumas, die Wiedererlangung von Kontrolle und Selbstbestimmung sowie die Stärkung des Selbstwertgefühls. Die individuelle Aufarbeitung kann verschiedene Formen annehmen »
Beratung: Kontakt zu Fach-Beratungsstellen, die sich auf die Beratung von Betroffenen sexualisierter Gewalt (auch in Akutfällen) spezialisiert haben. Das können z.B. Beratungsstellen in kirchlicher oder staatlicher Trägerschaft sein, aber auch Beratungsstellen von Vereinen (z.B. Wildwasser ev. Zartbitter, Hilfetelefon N.I.N.A. ev.)
Psychotherapie: Therapeutische Begleitung durch speziell ausgebildete Fachkräfte ist oft unerlässlich, um die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Verschiedene Therapieformen, wie z.B. Traumatherapie, Gesprächs- und/oder Verhaltenstherapie können angewendet werden.
Selbsthilfegruppen/Netzwerke: Der Austausch/die Vernetzung mit anderen Betroffenen kann entlastend wirken und das Gefühl der Isolation verringern. Das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch gibt Auskunft darüber, wo man lokal oder online Selbsthilfegruppen finden kann.
Künstlerische Therapien: Malen, Musik, Tanz oder Schreiben können helfen, die traumatischen Erfahrungen auszudrücken und zu verarbeiten.
Körpertherapie: Da sexualisierte Gewalt oft mit dem Verlust der Körperkontrolle einhergeht, können körpertherapeutische Ansätze helfen, das Körpergefühl und die Selbstwahrnehmung wieder zu stärken, z.B. tiergestützte Therapien mit Pferden, Hunde, Katzen, Delphinen, Lamas usw.
Individuelle Aufarbeitung zusammen mit der sogenannten „Täterorganisation“: Zusammen mit Vertretern*innen der Institution, Einrichtung, Behörde usw. kann das Erlebte aufgearbeitet werden. Wichtig ist dabei zu beachten, ob die Vertreter*innen dafür ausgebildet sind bzw. bereits Erfahrungen mit individueller Aufarbeitung gemacht haben.
1.1.2 Warum ist die individuelle Aufarbeitung so wichtig?
Sexualisierte Gewalt stellt einen massiven Eingriff in die körperliche und psychische Integrität dar. Die Folgen können vielfältig sein und von Schlafstörungen, Angstzuständen und Depressionen bis hin zu Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) reichen. Die individuelle Aufarbeitung ermöglicht den Betroffenen »
Anerkennung des Leids: Die Anerkennung, dass ihnen Unrecht geschehen ist, ist ein erster Schritt zur Heilung. Es hilft, das Gefühl der Hilf- und Machtlosigkeit und der Isolation zu durchbrechen.
Psychisches Wohlbefinden: Durch Therapie und Beratung können die oft tiefen psychischen Wunden geheilt werden. Posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen oder Angstzustände können adressiert und behandelt werden. Die traumatischen Erlebnisse werden Schritt für Schritt aufgearbeitet und in die Lebensgeschichte integriert.
Wiedererlangung von Kontrolle und Selbstwirksamkeit: Betroffene sexualisierter Gewalt haben oft das Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben. Individuelle Aufarbeitungsprozesse und gezielte therapeutische Maßnahmen helfen, Selbstwirksamkeit und Autonomie wieder aufzubauen.
Vermeidung von Langzeitfolgen: Eine frühzeitige und professionelle Aufarbeitung kann dazu beitragen, die Entstehung von chronischen psychischen Erkrankungen zu verhindern. Ohne adäquate Aufarbeitung sind Langzeitfolgen wie Beziehungsunfähigkeit, Suchtverhalten oder chronische Krankheiten wahrscheinlicher.
Stärkung und Empowerment: Sexualisierte Gewalt kann u.a. zu massiven Selbstzweifeln; Schuldgefühlen und Schamgefühlen führen. Die Aufarbeitung hilft, das Selbstwertgefühl wiederaufzubauen und Betroffene lernen, ihre Stimme wiederzufinden und für ihre Rechte einzutreten, was auch anderen helfen kann, sich zu öffnen und Hilfe zu suchen.
Beziehungen und Intimität wieder zuzulassen: Vertrauen in andere Menschen und die Fähigkeit, Nähe zuzulassen, können durch die traumatischen Erfahrungen stark beeinträchtigt sein. Die Aufarbeitung kann helfen, diese Fähigkeiten wiederzuerlangen.
Prävention durch Bewusstwerdung: Individuelle Geschichten und deren Aufarbeitung tragen maßgeblich dazu bei, dass Gesellschaft und Institutionen sensibilisiert werden und präventive Maßnahmen ergreifen.
1. 2 Juristische Aufarbeitung:
Die juristische Aufarbeitung im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt bezeichnet die rechtliche Untersuchung, Bewertung und Verfolgung von Straftaten. Dazu gehören »
Das Anzeigen der Straftat bei der Polizei;
strafrechtliche Ermittlungen;
Gerichtsverfahren und mögliche Verurteilungen der Täterinnen;
die Klärung von Verantwortlichkeiten;
die Durchsetzung von Opferschutz und Entschädigungsansprüchen.
Ziel juristischer Aufarbeitung ist es, Gerechtigkeit herzustellen und strafrechtliche Konsequenzen zu ziehen.
1.3 Institutionelle Aufarbeitung:
Die institutionelle Aufarbeitung befasst sich mit der Verantwortung der Institution, in der die Gewalt stattgefunden hat. Ziel ist es, die Strukturen und Bedingungen aufzudecken, die die Gewalt ermöglicht haben, und Maßnahmen zu ergreifen, um zukünftige Fälle zu verhindern. Dies beinhaltet »
Unabhängige Untersuchungskommissionen/Fallstudien: Externe Expert*innen untersuchen einzelne Taten/Vorfälle und die Rolle der Institution sowie aller anderen daran beteiligten Akteure.
Aufarbeitung der institutionellen Kultur: Die bestehenden Strukturen, Hierarchien und Machtverhältnisse werden analysiert, um Risikofaktoren zu identifizieren.
Entwicklung von Schutzkonzepten: Es werden klare Richtlinien und Verfahren entwickelt, um sexualisierte Gewalt zu verhindern und Betroffenen Unterstützung zu bieten.
Fortbildungen für Mitarbeiter*innen: Schulungen sensibilisieren die Mitarbeiter*innen für das Thema und vermitteln ihnen Handlungskompetenzen.
Transparente Kommunikation: Offene Kommunikation mit Betroffenen, Angehörigen und der Öffentlichkeit ist essenziell, um Vertrauen wiederherzustellen.
1. 4 Gesellschaftliche Aufarbeitung:
Sexualisierte Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem, das durch Tabuisierung und mangelnde Aufklärung begünstigt wird. Die gesellschaftliche Aufarbeitung zielt darauf ab, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und die gesellschaftlichen Strukturen zu verändern, die sexualisierte Gewalt ermöglichen. Dies umfasst »
Öffentliche Debatten und Aufklärungskampagnen: Das Thema muss öffentlich diskutiert werden, um das Schweigen zu brechen und Betroffenen eine Stimme zu geben.
Präventionsarbeit in Schulen und Bildungseinrichtungen: Kinder und Jugendliche müssen frühzeitig über sexualisierte Gewalt aufgeklärt und in ihren Schutzrechten gestärkt werden.
Veränderung von Geschlechterrollen und -stereotypen: Die gesellschaftlichen Normen und Werte, die sexualisierte Gewalt begünstigen, müssen hinterfragt und verändert werden.
Stärkung der Rechte von Betroffenen: Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen verbessert werden, um Betroffenen den Zugang zu Gerechtigkeit und Unterstützung zu erleichtern.
Fazit:
Aufarbeitung ist ein wichtiger und unverzichtbarer Schritt, um Gerechtigkeit für Betroffene zu schaffen, Strukturen zu verändern und eine Gesellschaft zu schaffen, die sexualisierte Gewalt erkennt, bekämpft und verhindert. Sie erfordert eine kritische, ehrliche und engagierte Auseinandersetzung auf allen Ebenen.
Herzlichst
Ihre Viola Meier-Quade
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Was versteht mnan unter Growth Mindset vs. Fixed Mindset: Ein Vergleich zweier Denkmodelle
In der Psychologie und Pädagogik hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Konzept etabliert, das sowohl in der Persönlichkeitsentwicklung als auch in der Bildung eine zentrale Rolle spielt: das Growth Mindset (Wachstumsdenken) im Gegensatz zum Fixed Mindset (statisches Denken). Diese Begriffe wurden von der renommierten Psychologin Carol Dweck geprägt, die in ihrer Forschung die entscheidende Rolle persönlicher Überzeugungen in Bezug auf Lernen, Leistung und Erfolg untersucht hat. Die beiden Denkweisen unterscheiden sich grundlegend darin, wie Menschen Herausforderungen, Fehler und das Potenzial zur Weiterentwicklung betrachten. Im Folgenden werden die Unterschiede zwischen diesen Modellen detailliert beleuchtet und ihre Bedeutung für die persönliche und berufliche Entwicklung aufgezeigt.
Die Macht der inneren Überzeugung, denn >>
Unsere Denkweise hat einen immensen Einfluss auf unser Handeln und letztendlich auf unseren Lebensweg. In der Psychologie hat sich die Unterscheidung zwischen einem Growth Mindset (dynamische Einstellung) und einem Fixed Mindset (statische Einstellung) als äußerst aufschlussreich erwiesen, nicht zuletzt, um zu verstehen, wie Menschen mit Herausforderungen, Rückschlägen und der eigenen Entwicklung umgehen.
1. Definition der Denkmodelle: Fixed Mindset und Growth Mindset
Fixed Mindset: Die Grenzen des Statischen >>
Im Kern des Fixed Mindset steht die Annahme, dass Intelligenz, Fähigkeiten und Talente unveränderliche Eigenschaften sind. Menschen mit dieser Einstellung neigen dazu:
Herausforderungen zu vermeiden: Sie fürchten das Scheitern, da es ihre vermeintlich begrenzten Fähigkeiten offenbaren könnte.
Anstrengung zu meiden: Anstrengung wird als Zeichen von Inkompetenz interpretiert, anstatt als Weg zum Lernen und Wachsen.
Kritik persönlich zu nehmen: Kritik wird als Angriff auf die eigene Person empfunden und führt zu Abwehrhaltung.
Vom Erfolg anderer bedroht zu fühlen: Der Erfolg anderer wird als Bestätigung der eigenen Unzulänglichkeit wahrgenommen.
Diese selbstlimitierende Denkweise führt zu einer Stagnation der persönlichen Entwicklung. Statt ihr Potenzial auszuschöpfen, verharren Menschen mit einem Fixed Mindset in ihrer Komfortzone und erreichen selten Spitzenleistungen.
Growth Mindset: Die Kraft der Veränderung >>
Im Gegensatz dazu basiert das Growth Mindset auf der Überzeugung, dass Intelligenz, Fähigkeiten und Talente durch Anstrengung, Lernen und Beharrlichkeit stetig weiterentwickelt werden können. Menschen mit dieser Einstellung:
Suchen Herausforderungen: Sie sehen Herausforderungen als Chance zum Lernen und Wachsen.
Glauben an die Kraft der Anstrengung: Anstrengung wird als essenzieller Bestandteil des Lernprozesses und als Schlüssel zum Erfolg betrachtet.
Sehen Kritik als konstruktives Feedback: Kritik wird als wertvolle Informationsquelle genutzt, um die eigenen Schwächen zu identifizieren und zu verbessern.
Lassen sich vom Erfolg anderer inspirieren: Der Erfolg anderer dient als Motivation und Inspiration, die eigenen Ziele zu verfolgen.
Diese dynamische Denkweise fördert ein positives Selbstbild, Resilienz gegenüber Rückschlägen und die Bereitschaft, sich stetig weiterzuentwickeln. Menschen mit einem Growth Mindset erreichen dadurch nicht nur höhere Leistungsniveaus, sondern erleben auch mehr Zufriedenheit und Sinnhaftigkeit in ihrem Leben.
2. Psychologische Mechanismen hinter den Denkweisen
Die zugrunde liegende Überzeugung, ob Fähigkeiten veränderbar sind oder nicht, beeinflusst maßgeblich, wie Menschen mit Stress, Druck und neuen Situationen umgehen.
Ein Fixed Mindset führt häufig zu einer sogenannten Selbstwertorientierung, bei der der Fokus darauf liegt, das eigene Image zu bewahren. Dies kann dazu führen, dass Fehler verschleiert oder vermieden werden, was langfristig das Lernen behindert.
Das Growth Mindset hingegen fördert eine Lernorientierung, bei der Fehler als Teil des Prozesses akzeptiert werden.
Neuropsychologische Studien zeigen, dass das Gehirn bei Personen mit einem Growth Mindset stärker auf Fehler reagiert, indem es diese als Gelegenheit zur Anpassung und Optimierung der eigenen Strategien nutzt.
Dies deutet darauf hin, dass das Gehirn plastischer agiert, wenn die Überzeugung besteht, dass Veränderung möglich ist.
3. Praxisbeispiele: Fixed Mindset vs. Growth Mindset
Schule und Lernen >>
Fixed Mindset:Ein Schüler, der glaubt, er sei „einfach nicht gut in Mathematik“, wird bei schlechten Noten eher aufgeben und den Unterricht als irrelevant empfinden.
Growth Mindset: Ein Schüler mit der Überzeugung, dass er Mathematik durch Übung und alternative Herangehensweisen meistern kann, wird Strategien entwickeln, um seine Schwächen zu überwinden.
Berufsleben: >>
Fixed Mindset: Ein Mitarbeiter, der glaubt, dass er nicht charismatisch genug für Führungspositionen ist, wird sich möglicherweise nicht für Weiterbildungsmöglichkeiten oder Führungsaufgaben bewerben.
Growth Mindset: Ein Mitarbeiter mit einem Growth Mindset erkennt, dass Kommunikations- und Führungsfähigkeiten durch Training und Erfahrung erlernbar sind und wird aktiv an sich arbeiten.
Sport >>
Fixed Mindset: Ein Athlet, der glaubt, sein Talent sei genetisch vorbestimmt, könnte nach einem verlorenen Wettkampf aufhören zu trainieren, da er sich „nicht gut genug“ fühlt.
Growth Mindset: Ein Athlet mit Wachstumsdenken sieht in der Niederlage eine Chance, seine Technik, Ausdauer oder mentale Stärke zu verbessern.
Fazit:
Die Wahl zwischen einem Fixed Mindset und einem Growth Mindset ist eine Entscheidung für oder gegen die eigene Weiterentwicklung. Während das Fixed Mindset zu Stagnation und Frustration führt, ebnet das Growth Mindset den Weg für ein erfülltes Leben voller Herausforderungen, Lernprozesse und Erfolge.
Die gute Nachricht ist, dass unsere Denkweise nicht in Stein gemeißelt ist. Mit gezielter Reflexion und Übung können wir unsere Einstellung aktiv verändern und die Kraft des Growth Mindset für uns nutzen.
Insbesondere bezogen auf die Arbeit mit dem Thema -Sexualisierte Gewalt- benötigen SIE ein Groth Mind Set, um sich weiterzuentwickeln und, um mit den damit verbundenen Herausforderungen flexibel und ressourcenorientiert umgehen zu können.
Herzlichst
Ihre Viola Meier-Quade
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Warum ist psychologische Sicherheit in Teams so wichtig?
Die Fähigkeit von Teams, effektiv zusammenzuarbeiten, hängt nicht nur von den individuellen Fähigkeiten der Teammitglieder ab, sondern auch von der Qualität der zwischenmenschlichen Interaktionen. Ein Schlüsselkonzept, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist die psychologische Sicherheit, ein Begriff, der von der Harvard-Professorin Amy Edmondson geprägt wurde. Psychologische Sicherheit beschreibt das Vertrauen innerhalb eines Teams, dass die Mitglieder offen kommunizieren, Risiken eingehen und Fehler eingestehen können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen oder Sanktionen haben zu müssen.
1. Was ist psychologische Sicherheit nach A. Edmondson?
A. Edmondson definiert psychologische Sicherheit als „eine Überzeugung, dass man in einem Team keine Angst haben muss, sich zu blamieren oder dafür bestraft zu werden, wenn man eine Frage stellt, eine Idee äußert, einen Fehler zugibt oder Bedenken äußert.“ Es geht nicht um eine Kuschel- oder Wohlfühlatmosphäre, sondern vielmehr um eine Umgebung, in der Offenheit, Ehrlichkeit und konstruktiver Austausch gefördert werden, um gemeinsam zu lernen und sich weiterzuentwickeln.
Psychologische Sicherheit ist besonders wichtig in modernen Arbeitsumfeldern, in denen Komplexität, Unsicherheit und Innovation dominieren. Ohne psychologische Sicherheit kann es passieren, dass Teammitglieder sich zurückhalten, aus Angst vor Fehlern oder Abwertung – ein Zustand, der als „spiral of silence“ bekannt ist.
2. Die vier Dimensionen der psychologischen Sicherheit
A. Edmondson identifiziert vier Schlüsseldimensionen, die zur psychologischen Sicherheit in Teams beitragen >>
Sicherheit, Fehler zuzugeben: Teammitglieder fühlen sich wohl, wenn sie Fehler offen ansprechen und daraus lernen können, ohne Angst vor Schuldzuweisungen oder Bestrafung.
Sicherheit, Fragen zu stellen: Teammitglieder trauen sich, Fragen zu stellen, auch wenn sie befürchten, dass sie dumm oder unwissend erscheinen könnten. Sie sind neugierig und wollen Zusammenhänge verstehen.
Sicherheit, Ideen zu äußern: Teammitglieder sind bereit, ihre Meinungen, Perspektiven und kreativen Ideen einzubringen, auch wenn sie von der Norm abweichen oder unkonventionell sind.
Sicherheit, Bedenken anzusprechen: Teammitglieder fühlen sich ermutigt, ihre Bedenken und Einwände offen zu äußern, auch wenn dies mit Konflikten verbunden sein könnte. Sie wissen, dass ihre Anliegen gehört und ernst genommen werden.
Haltung » Es herrscht ein respektvoller Umgang miteinander, unabhängig von Hierarchien oder Meinungsverschiedenheiten. Jedes Mitglied trägt Verantwortung für das Teamklima und die Ergebnisse.
3. Warum ist psychologische Sicherheit wichtig?
Psychologische Sicherheit ist aus mehreren Gründen entscheidend für den Erfolg von Teams und Organisationen >>
Verbesserte Leistung: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind leistungsfähiger, weil sie offener kommunizieren, besser zusammenarbeiten und schneller Probleme lösen.
Gesteigerte Innovation: Wenn sich Teammitglieder sicher fühlen, Risiken einzugehen und neue Ideen einzubringen, steigt die Innovationskraft des Teams.
Besseres Lernen: Psychologische Sicherheit fördert das Lernen aus Fehlern, da diese nicht als persönliche Schwächen, sondern als Lernmöglichkeiten betrachtet werden.
Höheres Engagement: Teammitglieder, die sich psychologisch sicher fühlen, sind engagierter, motivierter und fühlen sich stärker mit dem Team und der Organisation verbunden.
Reduzierte Fehler: Wenn Bedenken offen geäußert werden können, werden Fehler schneller erkannt und korrigiert, was zu einer höheren Qualität der Arbeit führt.
Effektivere Konfliktbewältigung: In einem Klima der psychologischen Sicherheit können Konflikte konstruktiv angegangen und gelöst werden.
4. 2 Praktische Beispiele für psychologische Sicherheit (oder deren Fehlen) in Teams:
1. Beispiel: Fehlerkultur >>
Team mit hoher psychologischer Sicherheit: Ein Softwareentwickler macht einen Fehler, der zu einem kurzzeitigen Ausfall einer wichtigen Funktion führt. Er meldet den Fehler sofort dem Team, das gemeinsam nach der Ursache sucht und eine Lösung entwickelt. Der Fehler wird als Lernchance betrachtet, und das Team entwickelt eine Strategie, um ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden.
Team mit geringer psychologischer Sicherheit: Ein Mitarbeiter macht einen Fehler, der zu einer Verzögerung eines Projekts führt. Aus Angst vor Kritik oder Bestrafung versucht er, den Fehler zu vertuschen. Dies führt zu weiteren Problemen und einer Verschlechterung des Vertrauens im Team.
2.Beispiel: Ideen äußern >>
Team mit hoher psychologischer Sicherheit: Bei einem Brainstorming äußert eine Mitarbeiterin eine ungewöhnliche Idee, die auf den ersten Blick etwas abwegig erscheint.
Team mit geringer psychologischer Sicherheit: Eine rangniedrige Mitarbeiterin traut sich nicht gegenüber ihrem Vorgesetzten eine neue Idee einzubringen, aus Angst ausgelacht zu werden.
Fazit: Insbesondere, wenn es um komplex oder „schwierige“ Themen/Herausforderungen geht, ist die psychologische Sicherheit in Teams absolut wichtig. Sie gewährleistet, unabhängig von der Hierarchie, dass alle Teammitglieder sich gleichberechtigt einbringen und zum Prozessverfahren beitragen können, ohne Angst zu haben, gemaßregelt oder ausgelacht zu werden. Fehler und Krisen werden als Chance verstanden und das gegenseitige Vertrauen ermöglicht es, eigene Ängste, Unsicherheiten, aber auch neue Ideen einzubringen.
Herzlichst
Ihre Viola Meier-Quade